Die vielschichtige Problematik der Integration von ehemaligen Nationalsozialisten bedeutete ohne Zweifel eine gewisse Überforderung jener, die Entscheidungsbefugnis besaßen. Nicht nur um die Rekrutierung von Wählerstimmen ging es, sondern immer auch um eine moralische Bewertung und Einordnung. Das aber war ein höchst schmaler Grat. […]
Karl Steinocher, Landeshauptmann-Stellvertreter in Salzburg zwischen 1966 und 1976, erzählte dazu:
“Man musste immer Rücksicht darauf nehmen, dass ja eine Familie dahinter stand. Man hat ja die Familie bestraft und nicht den Betreffenden. Das waren schwierige Entscheidungen, die ich da mitgemacht habe. Wenn sie gekommen sind und sich vor meinem Schreibtisch hingekniet haben, zwei Enkelkinder in der Hand – hier zu entscheiden war nicht einfach.” (1)
Der ehemalige Bürgermeister der Stadt Salzburg, Anton Neumayr, ging bei einer Wahlrede im Jahr 1945 auf diese Problematik folgendermaßen ein:
“Es muss für die KZler, für die Invaliden, für die Witwen und Waisen gesorgt werden und die Partei wird den Heimkehrern ihre größte Aufmerksamkeit schenken müssen… Wir wollen, dass die Nationalsozialisten, die sich keines Vergehens schuldig gemacht haben, entregistriert werden, dass sie eingeschaltet werden in den Arbeitsprozess, dass auch in ihre Familien wieder Glück und Friede einkehren… Sie sollen nachdenken, was diejenigen ertragen mussten, die in den Konzentrationslagern waren, was die Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen leiden, welcher Schmerz den Witwen und Waisen dieses Krieges zugefügt worden ist. Die Entregistrierung muss gerecht und nach gleichen Grundsätzen durchgeführt werden.” (2)
Quellen:
(1) Interview mit Karl Steinocher, in: Mesner, Maria (Hg.): Entnazifizierung zwischen politischem Anspruch, Parteienkonkurrenz und Kaltem Krieg. Das Beispiel der SPÖ, Wien-München, 2005.
(2) Wahlrede von Anton Neumayr am 3. November 1945, Demokratisches Volksblatt vom 5. November 1945.
Mitteilungen des Karl-Steinocher-Fonds, Ausgabe 2, 2006.